Derzeit sind mehr als 70 % der eisfreien Landoberfläche vom Menschen genutzt, auf etwa 50 % ist diese Nutzung sehr intensiv – in Form von Ackerland, Weideland oder Wirtschaftswald. Das Verständnis der Dynamik von Landnutzungsänderungen ist entscheidend für die Bewältigung globaler gesellschaftlicher Herausforderungen, wie etwa Ernährungssicherheit, Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt. Landnutzungsänderungen haben in der Vergangenheit eine wichtige Rolle bei den Treibhausgasemissionen gespielt. Sie werden auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Abschwächung des Klimawandels leisten, indem sie die Kohlenstoffvorräte im Boden erhöhen und die Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft und der Entwaldung verringern. Ebenso ist die Landnutzung entscheidend dafür, dass die Welt eine wachsende Bevölkerung ernähren, Holz und Grundstoffe bereitstellen und den Verlust der biologischen Vielfalt, der durch die Zerstörung und Fragmentierung von Lebensräumen durch die Landnutzung entsteht, eindämmen kann.
Eine von mehreren Herausforderungen besteht darin, das menschliche Verhalten und die Entscheidungsfindung der Menschen zu verstehen, die den Wandel der Landnutzung und dessen Auswirkungen auf die Umwelt im weiteren Sinne beeinflussen, um nachhaltige Lösungen für eine bessere Landbewirtschaftung zu finden.
Darüber hinaus haben wir die tatsächlichen Auswirkungen der Landnutzung auf die Ökosysteme noch immer nicht vollständig verstanden. Das erschwert die Bewertung der Bewirtschaftungspraktiken und deren Auswirkungen auf das Angebot an vielfältigen Ökosystemleistungen, sowie die Entwicklung erfolgreicher Wiederherstellungsstrategien.
Letztlich werden die Dynamiken in gekoppelten sozio-ökologischen Systemen nur unzureichend erfasst: wie wirkt sich beispielsweise der Klimawandel auf die Ernte- oder Walderträge aus? Wie verändert dies möglicherweise die menschlichen Entscheidungen über die Landnutzung? Welche Folgen hat dies wiederum für die Ökosystemprozesse und das Klima?
Heutige Szenarien über die zukünftige globale Landnutzung sind in vielen Aspekten unrealistisch und beziehen wichtige Prozesse der Ökosysteme und des menschlichen Handelns nicht mit ein. Hierzu entwickeln wir neue Methoden der Modellierung, die es ermöglichen ein nuancierteres Bild der nachhaltigen Landnutzung zu entwickeln, basierend auf den zugrundeliegenden Prozessen in gekoppelten sozio-ökonomischen und natürlichen Systemen. Unser Ziel ist es Wege vorzuzeigen, wie Klimawandelminderung, Klimawandelanpassung und Biodiversitätsschutz kombiniert werden können.
Wir verwenden verschiedene datengestützte Methoden und Computermodelle auf verschiedenen räumlichen und zeitlichen Ebenen, um Landnutzungsänderungen und deren Umweltauswirkungen in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu bewerten. Dazu gehören Daten- und Modellierungsmethoden zur Quantifizierung von Landnutzungsänderungen und deren Auswirkungen auf das Klimasystem, die Ernährungssicherheit und die Natur. Unsere fortschrittlichen Modellierungs- und Datenanalysetechnologien stützen sich auf die leistungsstarken Rechenanlagen des KIT/IMK-IFU.
Weitere Informationen zu den einzelnen Modellen finden Sie unter den Links auf den Websites der Forschungsgruppe (siehe unter Kontakt).
HILDA+ Globale Landnutzungsänderungen
Durch die Kombination mehrerer frei verfügbarer Datenquellen (Fernerkundung, Modellrekonstruktionen und Landnutzungsstatistiken) haben wir das HIstoric Land Dynamics Assessment + (HILDA+) erstellt, einen globalen Kartensatz über die jährlichen Veränderungen der Landnutzung/Bodenbedeckung zwischen 1960 und 2019, mit einer räumlichen Auflösung von 1 km. Wir schätzen, dass der Landnutzungswandel in nur sechs Jahrzehnten (1960-2019) fast ein Drittel (32 %) der globalen Landfläche betroffen hat. Das ist in etwa viermal so groß, wie bisher anhand langfristiger Landnutzungsrekonstruktionen geschätzt. Wir stellen geografisch divergierende Muster der Landnutzungsänderung fest, mit Aufforstung und Aufgabe von Anbauflächen im globalen Norden und Entwaldung und landwirtschaftlicher Expansion im globalen Süden.
- HILDA+ ist ein frei verfügbarer Datensatz, den Sie herunterladen können
- Erkunden Sie die Karten in einem interaktiven Viewer
- Lesen Sie die Veröffentlichung
Europas Green Deal verlagert Umweltschäden in andere Länder
Europa soll bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden - das hat die EU Ende 2019 mit dem "Green Deal" angekündigt. Ziel ist es, den Kohlenstoffausstoß zu reduzieren und Wälder, Landwirtschaft, umweltfreundlichen Verkehr, Recycling und erneuerbare Energien zu fördern. In der Fachzeitschrift Nature zeigen wir, dass der "Green Deal" ein schlechter Deal für den Planeten sein könnte, da die EU ihre Umweltschäden aus Europa auslagert, indem sie eine große Menge an landwirtschaftlichen Gütern importiert. Wir geben auch Handlungsempfehlungen, wie der Deal die globale Nachhaltigkeit fördern könnte.
Publikation: Fuchs, R.; Brown, C.; Rounsevell, M (2020). Europe’s Green Deal offshores environmental damage to other nations. Nature 586 (7831), 671–673.
Agentenbasierte Modellierung des europäischen Landnutzungswandels - das CRAFTY-Modell
Die Besorgnis wächst, dass menschliche Aktivitäten zu sozialen und ökologischen Zusammenbrüchen führen werden, aber es ist schwer vorherzusehen, wann und wo solche Zusammenbrüche auftreten könnten. Wir haben ein neues Modell für Landbewirtschaftungsentscheidungen in Europa entwickelt, um mögliche künftige Veränderungen unter verschiedenen Stufen des Klimawandels zu untersuchen. Wir haben festgestellt, dass realistischere Formen der Entscheidungsfindung, die sowohl die Umweltbedingungen als auch die Produktion und den Gewinn berücksichtigen, die Dynamik des Bodensystems erheblich verändern können. Unter den schwierigsten sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen können jedoch neue Wege zur Aufrechterhaltung der Nahrungsmittelproduktion und vorteilhafte Formen der Landbewirtschaftung erforderlich sein, um einen Zusammenbruch der Nahrungsmittelversorgung zu vermeiden.
Landnutzung und Hummeln
Hummeln sind wichtige Bestäuber, die für die Nahrungsmittelproduktion und das Funktionieren der Ökosysteme von großem Wert sind. Viele Arten sind im Rückgang begriffen und durch Klimawandel, Landnutzungsänderung und Intensivierung der Landwirtschaft bedroht. Unsere Forschungsarbeiten zeigen, dass verschiedene europäische Hummelarten sehr unterschiedlich auf eine Reihe plausibler zukünftiger Klima- und Landnutzungsszenarien reagieren, wobei seltene Arten in Szenarien mit geringem Klimawandel besonders von Landnutzungsentscheidungen betroffen sind. Ein besseres Verständnis der Auswirkungen der Landbewirtschaftung auf Bienen und andere Bestäuber ist derzeit durch die Art und Weise, wie die Prozesse in unseren Simulationsmodellen dargestellt werden, begrenzt. Wir arbeiten derzeit an der Integration der prozessbasierten Modelle CRAFTY (Landnutzung) und RangeShifter (Ökologie), die es uns ermöglichen werden, die Wechselwirkungen zwischen Landnutzung, Klima und Bestäubern auf einer neuen Ebene ökologischer und verhaltensbezogener Details zu simulieren.
Publikation: Prestele, R., Brown, C., Polce, C., Maes, J., & Whitehorn, P. (2021). Large variability in response to projected climate and land-use changes among European bumblebee species. Global Change Biology, 27.
Kartierung von Landnutzung und Ökosystemdienstleistungen mit Hilfe von Big Data aus sozialen Medien
Ökosystemleistungen sind der Nutzen, den Menschen aus Ökosystemen ziehen. Die Quantifizierung der Bereitstellung von Ökosystemleistungen und das Verständnis dafür, wie die Menschen sie nutzen, sind für fundierte Entscheidungen über die Nutzung natürlicher Ressourcen unerlässlich. Einige Leistungen, wie z. B. kulturelle Ökosystemleistungen, sind jedoch aufgrund methodischer Einschränkungen schwer zu messen und zu kartieren. Hier verwenden wir mit Geotags versehene Fotos, die von einer Vielzahl von Menschen stammen, um zu analysieren, wie Menschen Ökosysteme nutzen, und um den aktuellen Status von Ökosystemleistungen zu bestimmen. Die Fotos werden mit Hilfe etablierter Computer-Vision-Modelle auf der Grundlage von Faltungsneuronalen Netzen (CNN) annotiert, und die Beziehungen zwischen den Tags werden mit Hilfe einer Schlüsselwort-Netzwerkanalyse untersucht. Dieser Ansatz wurde zunächst in einer Fallstudie im sächsischen Muldebecken angewandt und wird in den 27 EU-Ländern weiter ausgeweitet werden, um zu analysieren, wie Schutzgebiete durch menschliche Nutzung unter Druck geraten. Die resultierenden Karten liefern räumlich explizite Informationen über verschiedene Arten von Ökosystemleistungen und Landnutzungsmustern, um ein evidenzbasiertes Ökosystem- und Biodiversitätsmanagement in der EU zu unterstützen.
Publikation: Heera Lee, Bumsuk Seo, Thomas Koellner, Sven Lautenbach (2019). Mapping cultural ecosystem services 2.0 – Potential and shortcomings from unlabeled crowd sourced images. Ecological Indicators (96).
Forschungsgruppe Landnutzungsänderung und Klima
Forschungsgruppe Globale Land-Ökosystem-Modellierung
Das Netzwerk des modularen Modellierungsrahmens LandSyMM
Das Projekt Future Earth AIMES (Analyse, Integration & Modellierung des Erdsystems)
Das Global Land Programme (GLP) und die AIMES-Arbeitsgruppe zur großmaßstäblichen Verhaltensmodellierung von Landnutzungsänderungen